english below
Ralf Peters -
ein im stimmfeld gelandeter Künstler und Philosoph
Wenn ich versuchen
wollte, meine verschiedenen Aktivitäten als Künstler, Denker, Autor, Lehrer
etc. in einer einheitlichen Idee zu sammeln, dann käme am Ende warscheinlich
eine Frage heraus.
Die Geschichte, die
ich hier von mir erzählen möchte, kann ich mit dem Diskos von Festos beginnen lassen, der schon seit Jahrzehnten eine
Art geheimes Logo meiner Arbeit darstellt. Die ungefähr handtellergroße
Tonscheibe, die in einem minoischen Palast auf Kreta im Jahr 1908 gefunden
wurde, ist das älteste Druckerzeugnis der Menschheitsgeschichte, das mit
beweglichen Lettern hergestellt wurde. Seine Bedeutung und seine Funktion
liegen bis heute weitgehend im Dunkeln.
Die Theorien über die
ursprüngliche Funktion des Diskos reichen von einem kultischen Gegenstand bis
zu einer Bestandsliste für gelagerte Lebensmittel und Werkzeuge. Die auf der
einen Seite der Scheibe verwendete Schrift namens Linear A ist bis heute nicht entziffert.
Von all dem abgesehen
ist der Diskos ein atemberaubend schönes Objekt. Kunst, die Rätsel aufgibt,
deren Lösung nicht zwingend einen Gewinn darstellen würde. Die offenen Fragen
treiben weiter als es die Antworten könnten.
Was hat das mit
meiner Art des Kunstschaffens zu tun? Ich verstehe Kunst als die edelste Form
der Forschung, die Bewegung des Suchens, die von offenen Fragen angetrieben
wird und nicht bezweckt, diesen Motor durch letzte Antworten zum Stillstand zu
bringen.
Der Diskos von Festos
ist ein Symbol für das formgebende Suchen, das man Kunst nennt, obwohl die
Scheibe erst im Laufe der Zeit selbst zu einem Kunstwerk geworden ist. Im
Moment seiner Herstellung war mit ihr wahrscheinlich gar keine offene Frage
verbunden. Das weist auf zwei weitere Elemente hin, die für meine Arbeit
wichtig sind. Der Faktor der Zeit, mit dem ich in verschiedenen Hinsichten
agiere und die Frage nach Erinnern und Vergessen. Beides hat offenkundig
miteinander zu tun.
Die handtellergroße
Scheibe ist auch ein Zeugnis der Entwickung der Schrift. Niemand weiß, ob mit
den Zeichen, die darauf zu sehen sind, Sprachlaute verbunden waren. Ob es sich
um Worte handelt, um Silben, oder einfach um Bilder. Diese Grenze zwischen dem
Sprachlichen und Vorsprachlichen interessiert mich als Stimmkünstler ganz
besonders. Wo fängt Sinn im Feld der stimmlichen Äußerungen an und welche
Konsequenz hätte die Erkenntnis/Vermutung, dass nicht aller Sinn sprachlich
kodierbar ist? Die Arbeit mit der Extended Voice ist mein Format, diese offenen
Fragen mit künstlerischen Mitteln zu untersuchen, meist im Rahmen von
Performance Art.
Die Größe der Scheibe
verweist noch auf einen anderen Aspekt meiner Arbeit. Der Diskos kommt
bescheiden daher, er ist keine überwältigende antike Skulptur, kein
ehrfurchtsgebietender Tempel; er ist aus Ton, nicht aus Gold oder Jade.
Obwohl ich mich als
Extended Voice und Performance Künstler oft ziemlich weit außerhalb
konventioneller Parameter bewege, frage ich mich, ob die Kunst heute nicht die
schwere Aufgabe vor sich hat, auf die überwältigende Geste zu verzichten,
vielleicht nicht bescheiden zu bleiben, aber zumindest nicht zu versuchen, dem
Mainstream des zu Lauten und zu Grellen noch die Krone aufzusetzen.
Spenden? https://fr.tipeee.com/stimmfeld
(Der Text ist auch auf meinen Websites stimmfeld.de und hoerfeld.de zu finden.)
english:
Ralf Peters -
Artist and
Philosopher - landed in stimmfeld
If I try to bring
together my various activities as an artist, thinker, author, teacher, etc. in
an unified idea, I would probably end up with a question.
The story I want to
tell about myself begins with the Diskos of Festos, which has been a kind
of secret logo of my work for decades. The approximately palm-sized clay disc,
which was found in a Minoan palace on Crete in 1908, is the oldest printed
product in the history of mankind that was made with movable letters. Its
significance and function remain largely obscure to this day.
The theories about
the original function of the disc range from a ritual object to an inventory of
stored food and tools. The script used on one side of the disc, called Linear A, has not been deciphered until
today.
Apart from this the
Discos is a breathtakingly beautiful object. Art that poses puzzles, the
solution of which would not necessarily be a gain. The open questions help to
get further than the answers could.
What does that have
to do with my way of creating art? I understand art as the noblest form of
research, the movement of searching, which is driven by open questions and does
not aim to bring this motor to a standstill by giving final answers.
The discos of Festos
is a symbol for the form-giving searching that is called art, although the disc
itself has only become a work of art over time. At the moment of its creation,
there was probably no open question associated with it. This points to two further
elements that are important for my work. The factor of time, with which I act
in different ways, and the question of remembering and forgetting. The two are
obviously related.
The palm-sized disc
is also a testimony to the development of script and writing. No one knows
whether the signs on it were associated with vocal sounds. Whether they are
words, syllables, or simply pictures. This line between the linguistic and the
pre-linguistic interests me especially as a voice artist. Where does meaning begin
in the field of vocal utterances and what would be the consequence of the
realization/assumption that not all meaning is linguistically encodable?
Working with the Extended Voice is my format for investigating these open
questions with artistic means, usually in the context of Performance Art.
The size of the disc
also refers to another aspect of my work. The disc is modest, it is not a
stunning ancient sculpture, not an awe-inspiring temple; it is made of clay,
not gold or jade.
Although as an
Extended Voice and Performance artist I often move quite far outside
conventional parameters, I wonder if art today has the difficult task not to
use the overwhelming gesture, perhaps not to remain modest, but at least not to
try to top the mainstream of the too loud and too garish.
(This text is also available on stimmfeld.de - english section!)