Tuesday, 7 December 2021

Corona, Yoga und/and Buddhismus

 

Corona, Yoga und Buddhismus

 

English below

 

In meinem Nachdenken über die Frage, warum vergleichsweise viele Menschen, denen man nicht ohne weiteres soziale und emotionale Intelligenz absprechen kann, sich nicht impfen lassen, habe ich zwar keine Antwort gefunden, aber bin auf ein Detail gestoßen, das mir wert scheint, etwas genauer betrachtet zu werden.

Die meisten Impfgegner in meinem Bekanntenkreis besitzen eine gewisse Affinität zu spirituellen Themen. Ich versuche eigentlich den Begriff des Spirituellen in meinem Denken und Schreiben so weit wie möglich zu verhindern, aber hier passt er als Sammelbegriff für verschiedene Strömungen ganz gut. Auf diesem spirituellen Feld sind zwei asiatische Ausrichtungen besonders prägend und präsent. Yoga und Buddhismus.

Auffällig ist, dass es so gut wie keine buddhistischen Lehrer*innen gibt, die gegen die Impfung sind. Im Gegenteil, viele von ihnen treten stark für die Impfung ein. (Ausnahmen mögen die Regel bestätigen, aber ich weiß von keiner Autorität aus den buddhistischen Schulen, die sich gegen die Impfung positioniert hätte.)

Ganz anders sieht es beim Yoga aus. Da gibt es offenbar auf so gut wie allen Hierarchie-Ebenen Lehrer und Lehrerinnen, die zum Teil vehement gegen das Impfen sind und unter ihren Anhänger*innen dafür werben, sich nicht impfen zu lassen. Wie kommt es zu diesem gravierenden Unterschied?

(Was jetzt folgt, ist keine Antwort auf diese Frage, sondern nur ein erstes Herantasten. Und ich muss hoffentlich nicht betonen, dass Yoga als Menschheitswissen einen unermesslichen Wert besitzt. Ich richte mein Augenmerk nicht auf das große historische System des Yoga, sondern auf seine psycho-soziale Rolle in der spätkapitalistischen Moderne – die vom Yoga aller Wahrscheinlichkeit nach überlebt wird.)

Mir fällt dazu etwas ein, das der Philosoph Max Scheler – auf den ich als inspirierende Quelle zum Weiterdenken ja des Öfteren zu sprechen komme – vor knapp hundert Jahren notiert hat. Scheler hat sich an einer Analyse der verschiedenen Wissensformen in verschiedenen Zeiten und Kulturen versucht und die wichtigste Unterscheidung, die er da getroffen hat, ist die in Herrschaftswissen und Heilswissen. Ich habe an anderer Stelle einiges dazu gesagt. Hier ist nur wichtig, dass Scheler Yoga als eine Form des Herrschaftswissens verstanden hat. Ansonsten ist Herrschaftswissen eigentlich das dominante Wissen in den westlichen modernen Gesellschaften, die mehr oder weniger durchgehend vom Geist des Kapitalismus gefärbt sind. Das westliche Herrschaftswissen richtet sich primär nach außen auf die Welt. Das erste Ziel des westlich-modernen Menschen ist die Weltbeherrschung. Im Yoga dagegen ist das Herrschaftswissen auf den Menschen selbst gerichtet, und zwar nicht von außen, sondern aus einer Innenperspektive. Allerdings geht es auch hier um Kontrolle und Herrschaft, Herrschaft über den Körper.

So gesehen ist es kein Wunder, dass Yoga zu der attraktivsten Körperpraxis des westlichen Neoliberalismus geworden ist. Hier kann man, wenn man nicht allzu genau hinschaut, die Muster des kapitalistischen Geistes, die wir im Übrigen alle in uns implantiert haben, wunderbar auf die Beschäftigung, oder besser: Optimierung des eigenen Körpers übertragen. Wenn ich oder mein Geist souverän über meinen Körper verfüge, wenn mein Körper und meine Zellen "rein" geworden sind (da schaudert es den politisch wachen Geist!), wenn er gereinigt ist von allen alten Gewohnheiten und Bequemlichkeiten, dann ist er stark, resilient und stört die spirituellen Bestrebungen nicht mehr. In dieser Logik kann eine Injektion von außen nur abgelehnt werden. Es geht ja gerade darum, die äußeren Einflüsse zurückzudrängen, um souverän zu werden.

 

Im Buddhismus sieht das anders aus. Hier gibt es nicht die starke Fokussierung auf den Körper. Dadurch kommt man buddhistisch gedacht auch nicht auf die Idee, man könne sich von äußeren Einflüssen (mit einem starken Immunsystem) abschotten und vor Angriffen durch Krankheit oder Verletzung sicher sein. Das buddhistische Ziel besteht nicht darin, Krankheit, Verletzlichkeit und Leiden zu verhindern, sondern den Geist darin zu schulen, damit umzugehen, ohne davon beherrscht zu werden. Buddhistisch scheint viel mehr die Interaktion zwischen Mensch und Welt im Zentrum des Interesses zu stehen als im Yoga. Deswegen ist das Impfen aus buddhistischer Sicht schon als Akt des Mitgefühls geboten – unabhängig davon, ob ich mich selbst durch das Virus gefährdet sehe oder nicht.

Ich will nicht behaupten, dass es im buddhistischen Denken nicht auch Anknüpfungspunkte zum Geist des Kapitalismus gibt, aber in der Corona-Pandemie verläuft (zumindest) eine Grenzlinie zwischen dem spätkapitalistischen egozentrierten Denken und einem Denken, das Verletzlichkeit als anthropologische Konstante wahrnimmt, mitten durch das spirituelle Feld.

Selbstverständlich ist die Sache nicht ganz so einfach, wie ich sie hier schildere. Doch irgendwas muss dran sein, sonst gäbe es nicht die auffallend entgegengesetzten Positionen vieler buddhistischer und yogischer Lehrer*innen.

Was sagt das jetzt über das Künstlersein im Kapitalismus, mein eigentliches Thema? Ich fürchte, relativ wenig. Der Riss zwischen Impfbefürwortern und Impfgegnern verläuft auch mitten durch das Feld der Kunst. Das Beispiel Yoga boostert im besten Fall eine alte Erkenntnis: Der kapitalistische Geist, der die Menschheit auch ohne Corona an den Rande des Abgrunds geführt hat, ist nicht etwa nur im Wirtschaftsleben präsent, sondern stellt eine Lebensform dar, die sich längst in Bereiche eingeschlichen hat, die eigentlich mal als Alternative und Suche nach dem besseren, nicht kapitalistisch geprägten Leben angefangen haben. Es bleibt also auch für Künstler*innen eine interessante Aufgabe immer wieder herauszufinden, wo sich in unserem Denken die kapitalistische Logik längst eingenistet hat.

 

 

 


 

Corona, Yoga and Buddhism

 

In my reflection on the question of why a relatively large number of people, who cannot easily be accused of having no social and emotional intelligence, do not get vaccinated, I have not found an answer, but I have come across a detail that seems to me to be worth looking at a little more closely.

Most of the anti-vaccinationists in my circle of acquaintances have a certain affinity with spiritual issues. I actually try to avoid the term spiritual in my thinking and writing as much as possible, but here it fits quite well as a collective term for different tendencies. In this spiritual field, two Asian orientations are particularly influential and present. Yoga and Buddhism.

It is striking that there are almost no Buddhist teachers who are against vaccination. On the contrary, many of them are strongly in favour of vaccination. (Exceptions may prove the rule, but I don't know of any authority from the Buddhist schools who has taken a position against vaccination).

The situation is quite different with Yoga. There are apparently teachers at almost all levels of the hierarchy, who are vehemently opposed to vaccination and who promote among their followers that they should not be vaccinated. How does this serious difference come about?

(What follows is not an answer to this question, but only a first approach. And I hope I don't have to emphasise that yoga has immeasurable value as human knowledge. I am not directing my attention to the great historical system of yoga, but to its psycho-social role in late capitalist modernity - which in all probability will be survived by yoga).

I am reminded of something that the philosopher Max Scheler - to whom I often refer as an inspiring source for further thinking - noted almost a hundred years ago. Scheler tried to analyse the different forms of knowledge in different times and cultures, and the most important distinction he made was between knowledge of domination and knowledge of salvation. I have said something about this elsewhere. Here it is only important that Scheler understood Yoga as a form of knowledge of domination. Otherwise, knowledge of domination is actually the leading knowledge in Western modern societies, which are more or less consistently coloured by the spirit of capitalism. Western knowledge of domination is primarily directed outwards towards the world. The first goal of Western modern man is world domination. In yoga, on the other hand, the knowledge of domination is directed at the human being himself, not from the outside, but from an inner perspective. However, here too it is about control and domination, domination over the body.

Seen in this light, it is no wonder that yoga has become the most attractive body practice of Western neoliberalism. Here, if you don't look too closely, you can wonderfully transfer the patterns of the capitalist mind, which incidentally we all have implanted in us, to the occupation, or better: optimisation, of your own body. When I, or my mind, am sovereign over my body, when my body and cells have become "pure" (this expression already makes the politically alert mind shudder!), when it is cleansed of all old habits and comforts, then it is strong, resilient and no longer interferes with spiritual aspirations. In this logic, an injection from outside can only be rejected. After all, the point is to push back the external influences in order to become sovereign.

 

In Buddhism, things look different. Here there is not the strong focus on the body. In Buddhist terms, this means that you cannot isolate yourself from external influences (with a strong immune system) and be safe from attacks through illness or injury. The Buddhist goal is not to prevent illness, vulnerability and suffering, but to train the mind to deal with them without being dominated by them. Buddhist seems to focus much more on the interaction between human beings and the world than yoga. Therefore, from a Buddhist point of view, vaccinating is already commanded as an act of compassion - regardless of whether I see myself endangered by the virus or not.

I don't want to claim that there are not also points of connection to the spirit of capitalism in Buddhist thinking, but in the Corona pandemic (at least) a frontier line between late capitalist ego-centred thinking and a thinking that perceives vulnerability as an anthropological constant runs right through the spiritual field.

Of course, the matter is not quite as simple as I am describing it here. But there must be something in it, otherwise there wouldn't be the strikingly opposing positions of many Buddhist and yogic teachers.

What does this say about being an artist in capitalism, my main topic? Relatively little, I fear. The rift between vaccination supporters and vaccination opponents also runs right through the field of art.

At best, the example of yoga boosts an old insight: the capitalist spirit, which has led humanity to the edge of the abyss even without Corona, is not only present in economic life, but represents a way of life that has long since crept into areas that actually began as an alternative and a search for a better, non-capitalist life. It remains an interesting task for artists, too, to find out again and again where capitalist logic has long since taken root in our thinking.

 

Sunday, 10 October 2021

Why/Warum Beuys 2021? a lecture/ein Vortrag

English below!

Vortrag:

Warum Beuys heute? 

Überlegungen vom IRWEGK aus.

 

(Dieser Text basiert auf einem Vortrag, den ich zum Start in die zweite Beuys-Woche des stimmfeld-Vereins am 29. September 2021 im stimmfeld-Studio Köln gehalten habe. Das Video zu dem Vortrag findet sich hier: https://vimeo.com/634551723. (Die schriftliche Form ist um ein paar Überlegungen erweitert.)

 

Die Frage, warum ich mich so intensiv mit Beuys beschäftigt und in den beiden Beuys-Wochen 2021 Kolleg*innen und Freund*innen dazu eingeladen habe, es mir für einige Zeit gleichzutun, findet eine erste Antwort auf der persönlichen Ebene. Joseph Beuys gehört zu den „Heiligen“ in meinem Kalender. Sein Künstlersein hat für mich Vorbildcharakter weil er mit seiner eigenen Lebensform gezeigt hat, wie man sehr verschiedene Aktivitäten unter dem Begriff der Kunst (bzw. der Konzeptkunst) unter einen Hut bringen kann. Da bin ich ihm als jemand der ebenfalls sehr verschiedene Tätigkeitsfelder versucht, in einem Leben unterzubringen, dankbar für die begriffliche Hilfe. (Diesen Gedanken habe ich in dem Vortrag „100 Jahre, 7000 (tote) Bäume und eine Woche im Mai“ etwas genauer ausgeführt: https://vimeo.com/512862085.)

 

Ein zweiter Grund ist ebenfalls persönlicher Natur, aber ragt bereits in das Thema hinein, um das es mir hier geht.

Ich mag Jubiläen und Jahrestage! Meine Arbeit der letzten Jahre war immer wieder angeregt und geprägt von bestimmten kalendarischen Daten. 100 Jahre DaDa haben zu der Totenklage geführt. Meine Grundgesetzwanderung endete am 23. Mai 2019; zum 70. Jahrestag der Inkrafttretung des Grundgesetzes; zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht habe ich zum ersten Mal die Texte von Alfred Wolfsohn zu seinen Erfahrungen als deutscher Jude vorgelesen. Usw.

Dahinter steckt ein Gedanke, der mit IRWEGK, dem Institut zur Rettung der Welt aus dem Geiste der Kunst direkt zu tun hat. Darin geht es mir ja u.a. darum, eine innere Haltung zur Welt zu kultivieren, in der Dinge, Beziehungen, Tage und Orte mehr werden als bloße Daten, in dem sie mit Bedeutung und Handlungsoptionen aufgeladen werden. Darauf komme ich später zurück.


Auch als Stimmkünstler sehe ich ein paar Bezüge zu Joseph Beuys. Man findet bei ihm einen Umgang mit Stimme, der experimentell und performativ ist. Ich erinnere an seine Werke JaJa/NeinNein, den Öhh-Vortrag, die Performance Der Chef/The Chief – Fluxusgesang! Diese Haltung im Umgang mit der Stimme interessiert mich in meiner Arbeit als Künstler und Stimmlehrer ebenfalls.

 

Als Stimmkünstler fühle ich mich bei der Idee des erweiterten Kunstbegriffes sofort erinnert an den Begriff der Extended Voice, also der erweiterten Stimme. Da geht es ebenfalls darum, die Vorstellungen davon, welche stimmliche Äußerungen als Kunst durchgehen und welche da nicht hingehören, aufzugeben und jedem Stimmklang das Potenzial zu geben, künstlerisch interessant zu sein. Jeder Stimmklang ist Gesang.

In diesen Zusammenhang gehört auch Beuys´ Idee eines erweiterten Begriffes von Skulptur und Plastik. Soziale Plastik ist hier ein wichtiges Stichwort, aber auch die Vorstellung, dass schon ein Gedanke eine skulpturale Qualität hat. Diese Gedanken sind eine Quelle für meine eigene Arbeit mit Stimme, in der ich auf der Suche nach der stimmlichen temporären Skulptur bin. Allerdings war für mich hier die Idee der Klangskulptur von Terry Fox in diesem Zusammenhang entscheidender. 

 

Orpheus als Schamane?

Es gibt außerdem noch eine tiefere Verbindung zwischen dem Ansatz von Joseph Beuys und der künstlerischen Stimmarbeit in der Tradition von Wolfsohn/Hart: Diese Verbindung läuft über den Namen Orpheus und das orphische Geflecht. Das ist ein Begriff, den ich bei Kocku von Stuckrad[1] gefunden habe.

Mit dem orphischen Geflecht bezeichnet von Stuckrad die Verbindung von Kunst, Natur und Erkenntnis, die mythologisch mit dem Namen Orpheus verknüpft ist. Das hat sowohl viel mit Beuys zu tun, dessen erweiterter Kunstbegriff diese drei Elemente umfasst, als auch mit meiner/unserer Arbeit im stimmfeld und dem Ansatz von Wolfsohn/Hart. Denn in der Erkundung der menschlichen Stimme spielen diese drei Aspekte immer mit rein. Künstlerische Erkundung, Erkenntnisprozesse mit manchmal therapeutischer also heilender Nebenwirkung und Positionierung des singenden Menschen in der Welt, die Natur ist.

Schon im 19. Jahrhundert gab es die Idee, dass Orpheus, der mythische Sänger und erste Künstler, auch der erste Schamane war, also jemand, der mit sozusagen allen Bewohnern der Welt, sichtbar oder unsichtbar in Kontakt treten konnte. Dazu gehören ganz besonders die Tiere. Beuys hat ja da angesetzt und gefordert, dass wir – die Künstler – (alle sind Künstler!) dieses Gespräch mit der Natur, die zu uns spricht und uns zuhört, wieder aufnehmen. Und zwar auf der Grundlage all dessen, was der menschliche Geist in den letzten Jahrhunderten gedacht und entdeckt hat. Nicht also zurück zur Natur, sondern mit den Errungenschaften der Moderne ein neues heilsames Verhältnis zur Natur schaffen. Und da steht er in einer Traditionslinie mit den Schamanen, die dieses dialogische Verhältnis vorgelebt haben (in sehr speziellen gesellschaftlich-natürlichen Verhältnissen) und eben auch Orpheus, der die poetische Ordnung der Welt installiert hat. Der dialogische Charakter der poetischen Ordnung tritt besonders deutlich hervor in dem System von Stimme und Gehör, mit dem wir uns in der Stimmkunst beschäftigen.

 

Beuys Welthaltung und IRWEGK:

Eine Idee, wie die Welt aus dem Geiste der Kunst geschützt oder gerettet werden kann, setzt bei der grundlegenden Haltung gegenüber der Welt an. Die Haltung, die uns in die Misere geritten hat, lässt sich am besten als Weltbeherrschung beschreiben. Sowohl der Kapitalismus als auch die wissenschaftlich-technische Weltsicht, versucht die Welt zu berechnen, um sie dann beherrschen zu können[2]. Daraus sind, das darf nicht vergessen werden, unglaubliche Entwicklungen und Errungenschaften hervorgegangen, aber jetzt zeigt sich, dass die Weltbeherrschung in eine Weltzerstörung umschlägt und es höchste Zeit wird, eine neue Haltung zur Welt zu finden.

Bei Beuys kann man da zumindest indirekt fündig werden, da er zu denjenigen gehört, die darauf setzen, dass durch die Kunst die Welt gerettet wird. Oder besser: Nur wenn jede und jeder zum Künstler wird, ist die Welt zu retten. Zum Künstler werden bedeutet, das Künstlersein, das in jedem Menschen per se steckt, zu wecken. Worin besteht nun aber dieses Künstlersein? Im Denken von Beuys läuft vieles darauf hinaus, die Kreativität zum entscheidenden Element zu machen. Diese Idee ist aber nicht ganz unproblematisch. So hat der Neoliberalismus den kreativen Ball gerne aufgenommen und Kreativität zu einer Kompetenz gemacht, die man im kapitalistischen Spiel haben muss, um einigermaßen mitspielen zu können. Das ist natürlich nicht im Sinne Beuys gewesen, der die Kreativität immer in der engen Verbindung mit Freiheit und Selbstbestimmung sehen wollt. Dazu komme ich gleich nochmal zurück.

Doch es gibt auch aus anderen Gründen große Zweifel, dass mit Kreativität die Welt zu retten ist: In der Welt wird viel zu viel geschaffen! Vor kurzem ging eine Meldung durch die Presse, dass die Masse der künstlich hergestellten Dinge mittlerweile die Masse der natürlichen Dinge übersteigt. Auch wenn man nachfragen müsste, was da genau verglichen wird und wie man so etwas feststellen soll, bleibt die Vorstellung darüber, wie unglaublich viel in der Welt vom Menschen produziert wird, beeindruckend und erschreckend. Doch alles, was produziert wird, ist zu Anfang aus einem kreativen Akt entstanden! Nicht zuletzt durch eine ausufernde Kreativität ist die Welt so vollgemüllt! Für die Welt wäre es also besser, wenn wir lernen würden, weniger kreativ zu sein. Das ist natürlich polemisch und die Entgegnung darauf lautet, dass die Kreativität in einen künstlerischen Kontext eingebettet sein muss, um im Sinne Beuys´ zu wirken. Aber dann ist Künstler*innensein mehr (und anderes) als mit dem Begriff der Kreativität bezeichnet wird. Bei Beuys stellen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung für das eigene Handeln den zweiten und vielleicht entscheidenden Aspekt des Künstlerseins dar. Das ist ganz wichtig, auch in unserem Zusammenhang. Aber man kann auch das ganz anders sehen: Ist Selbstbestimmung ein notwendiges Charakteristikum des Kunstschaffens und der Kunstschaffenden?

Dagegen könnte man sagen: Niemand ist in seinem Schaffen so fremdbestimmt wie Kunstschaffende. Künstlerin und Künstler entscheiden sich nicht frei für ihre Kunst. Sie fühlen sich oft gezwungen, ihrer Kunst zu dienen, sie ins Leben zu bringen. Und nehmen dafür oft genug viele Opfer auf sich. Anders als bei den sogenannten Freizeit-Künstlern, die das Kunstschaffen als den freien Raum verstehen, den sie ihrem ansonsten bourgeoisen Leben abtrotzen, ist die Kunst der Künstler*in im engeren Sinne kein freier und kreativer Raum, den man sich neben dem von Zwängen beherrschten Leben schafft. Die Kunst zwingt! Künstler*innen arbeiten oft in gewisser Weise gegen ihren Willen an ihrer Kunst. Von Selbstbestimmung muss da also auf der Ebene gar nicht die Rede sein.

 

Aber ich will hier von einer anderen Ecke her argumentieren. Meine These lautet: Das Künstlersein besteht in einem besonderen Weltverhältnis bzw. einer besonderen Haltung zur Welt.

Um zu erklären, was ich damit meine, greife ich mal wieder die Max-Scheler-Schublade[3] und ziehe eine Unterscheidung hervor, die uns hier helfen kann. Scheler hat sich viel mit dem Begriff des Wissens beschäftigt. Wissen ist immer Wissen von „der Welt“ und insofern zeigt die Art des Wissens, die in einer Kultur oder Gesellschaft ganz vorne steht, welches Weltverständnis in dieser Kultur vorherrscht. Scheler sieht in Europa ab dem 13. Jahrhundert eine Tendenz, ein Weltwissen zu sammeln, das auf Beherrschung der Welt abzielt. Davon habe ich oben ja schon gesprochen. Da ist Scheler wirklich nicht der einzige, aber was ihn interessant macht, ist sein Vorschlag für andere Formen des Wissens, die nicht neu erfunden werden müssen, sondern in anderen Kulturen und Gesellschaften lange dominant waren. Scheler spricht von Bildungswissen und von Heilswissen. Bildungswissen ist dasjenige Wissen, das hilft, mich als Person zu bilden, weiter zu entwickeln oder zu wachsen. Heilswissen besteht nach Scheler in einem Wissen, das dem „Seelenheil“ zugute kommt. Beide Wissensformen sind nicht in erster Linie für die Konfrontation mit der Welt relevant, sondern für das „Erkenne dich selbst!“, das allerdings den Umweg über die Welt einschlagen muss. Ich will hier nicht genauer darauf eingehen, was Scheler mit dieser Unterscheidung im Sinn hat[4]. Wichtig ist nur, dass zum Erwerb dieses Wissens nicht Herrschaftswille nötig ist, sondern etwas anderes: Liebe! Ich muss mich in einem liebenden Grundmodus der Welt öffnen, um Anteil an ihr zu haben. Denn Wissen ist nach Scheler ein Weltverhältnis: Wenn ich etwas weiß, habe ich Anteil an dem, was ich weiß. Ich bin direkt mit diesem Aspekt der Welt verbunden. Und diese Verbindung gelingt nur mit Liebe.

Zwar gibt es auch im kapitalistisch-wissenschaftlichen Komplex Menschen, die sich ihrem Gegenstand mit Liebe nähern. Viele große Wissenschaftler*innen zeichnen sich gerade durch ihre Liebe zu dem jeweiligen Forschungsbereich aus. Aber die allgemeine Struktur dieses Systems funktioniert über Herrschaftswille. Im Feld der Kunst gibt es natürlich auch Künstler*innen, die diesen Herrschaftswillen kennen und nutzen, aber die allgemeine Struktur der Kunst ist eine Liebe zu ihren Gegenständen. Nur aus dem Modus der Liebe zur Welt, zur Musik, zur Sprache, zu Farben und Formen, usw. entsteht Kunst. Deshalb ist die Kunst die Lebensform, aus der eine neue allgemeine Welthaltung entstehen kann.

Die künstlerische Welthaltung erlaubt einen Umgang mit der Welt und allem, was es in ihr gibt: aus einem Grundmodus der Liebe und des Respekts und nicht der des Herrschaftswillen und der Kontrolle.

 

Beuys, IRWEGK und Corona

Ein Text, der nach der Relevanz des künstlerischen Ansatzes von Joseph Beuys für die Gegenwart des Jahres 2021 fragt, kann das Thema Corona nicht außen vor lassen. Die Pandemie hat einige gesellschaftliche und ideologische Verwerfungen der Spätmoderne, die bislang eher im Untergrund wirkten, mit Gewalt an die Oberfläche gebracht und wir sind gezwungen, uns damit auseinanderzusetzen. Bei Beuys ist davon direkt nicht viel zu lesen. Immerhin gibt es in einem Buch mit den Texten Beuys eine Kapitelüberschrift „Impfung und Planeten“[5], und in einer seiner Grafiken kommen diese beiden Begriffe nebeneinander stehend vor. Vermutlich hatte Impfung für Beuys eine durch und durch positive Färbung. Seine Arbeit an der sozialen Plastik einer neuen Gesellschaft könnte man als eine Impfkampagne verstehen. Auch die Corona-Impfungen hätte Beuys wahrscheinlich faszinierend gefunden, weil es sich um eine planetarische soziale Plastik handelt. Aber entscheidender als diese Vermutungen meinerseits sind zwei andere Punkte.

 

Die Gründung von IRWEGK fand noch kurz vor der Corona-Pandemie statt, die die geistige Situation unserer Zeit einerseits verändert und andererseits vielleicht erst deutlich zum Vorschein gebracht hat. In der Skepsis gegenüber dem politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Umgang mit der Pandemie wurde deutlich, sie sehr die antimodernen Tendenzen in großen Teilen der Bevölkerung bereits die Oberhand gewonnen haben. Ich beschäftige mich in meiner Arbeit als Künstler und Schreiber seit langem insbesondere mit den kapitalistischen Auswüchsen der Moderne und deren zerstörerische Kräfte für Mensch und Welt. Zugleich aber glaube ich, dass man im strengen Sinne gar nicht antimodern sein kann, weil wir in der Welt leben, in der wir leben und deshalb von den modernen Gegebenheiten ausgehen müssen, um darin das heilende Potenzial zu finden und zu entwickeln.

Da sehe ich in Beuys wieder ein Vorbild: Beuys war ein radikaler Kritiker eines einseitig rationalistisch-materialistischen Weltbildes und hat in vielen seiner Aktionen den oben erwähnten poetischen Weltzugang gesucht und künstlerisch offengelegt. Aber er war zugleich ein großer Bewunderer der modernen Wissenschaften und war nie an einem Entweder - Oder interessiert. Ihm ging es um ein umfassendes Weltverständnis, das die verschiedenen Stränge integriert und zu einer Vorstellung und Haltung beiträgt, die dem Menschen und der Welt entsprechen und zugute kommt.

Die großen ethischen Errungenschaften der Moderne waren für ihn geradezu heilig: Die Freiheit des Menschen, die Gleichheit des Menschen vor dem Recht und die damit verbundene Idee einer Demokratie.

Die Anti-Moderne zeichnet sich dagegen in vielen Spielarten dadurch aus, dass in ihnen ein elitäres Verständnis des Menschen vorherrscht. Es gibt die Wenigen, die es begriffen haben und die große dumme Masse, die es wohl nie begreifen wird. Dieses Muster fand sich in vielen Posts und Pamphleten, die sich kritisch und ablehnend gegen den allgemeinen Umgang mit der Pandemie äußern.

Die wichtigste Formulierung dieser Denkart im 20. Jahrhundert stammt wohl von Martin Heidegger, und es ist kein Zufall, dass Heidegger zugleich derjenige unter den ernstzunehmenden Philosophen seiner Zeit ist, der sich am tiefsten in die nationalsozialistische Ideologie verstrickt hat. Bei ihm war die Rede von den wenigen, die sich dem Eigentlichen stellen und den vielen, die im „man“ verhaftet bleiben und nicht durchdringen zur Wahrheit, die sich nur den Wenigen zeigt. Das ist natürlich eine sehr attraktive Denkweise, sofern man einen Weg gefunden hat, sich selbst zu den wenigen Wissenden zu zählen. Darin besteht auch einer der Tricks in der modernen Pop-Esoterik. Aber damit wird zugleich zutiefst undemokratisch gedacht.

Dagegen war bei Beuys, der ja sehr wohl über die Anthropologie auch esoterische Züge hatte, immer klar: Jeder Mensch ist ein Künstler.

Eine solcherart demokratische Grundeinstellung ist sehr viel anstrengender durchzuhalten als eine elitäre Haltung. Beuys ruft dazu auf, sich mit dem eigenen Kunstschaffen nicht in die Ecke der vermeintlich Auserwählten zurückzuziehen, sondern an einem demokratischen Menschen- und Künstler*innenbild festzuhalten.

 


 

Lecture:

Why Beuys today? 

Reflections from the IRWEGK.

 

(This text is based on a lecture I gave at the start of the second Beuys week of stimmfeld association on 29 September 2021 in the stimmfeld studio in Cologne. The video of the lecture can be found here: https://vimeo.com/625339485. The written form contains a few additional reflections).

  

The question of why I have been so intensively involved with Beuys and why I have invited colleagues and friends to do the same during the two Beuys Weeks in 2021 for a while finds a first answer on a personal level. Joseph Beuys is one of the "saints" in my calendar. His being an artist is a role model for me because he showed with his own way of life how very different activities can be reconciled under the concept of art (or conceptual art). As someone who also tries to accommodate very different fields of activity in one life, I am grateful to him for the conceptual help. (I elaborated on this idea in the lecture "100 years, 7000 (dead) trees and one week in May": https://vimeo.com/512862085.)


A second reason is also of a personal nature, but already reaches into the topic I am concerned with here.

I like jubilees and anniversaries! My work in recent years has often been inspired and shaped by certain calendrical dates. 100 years of DaDa led to the Totenklage (Lament for the Dead). My constitution walk ended on 23 May 2019 - on the 70th anniversary of the coming into force of the Grundgesetz, the German Constitution; on the 80th anniversary of the Reichspogromnacht 2018, I read Alfred Wolfsohn's texts on his experiences as a German Jew for the first time. Etc.

Behind all this is an idea that is directly related to IRWEGK, the Institute for the Saving of the World from the Spirit of Art. In it, I am concerned, among other things, with cultivating an inner attitude to the world in which things, relationships, days and places become more than mere data, in which they are charged with meaning and options for action. I will come back to this later.

 

As a voice artist, I also see some references to Joseph Beuys. One finds in him a way of dealing with voice that is experimental and performative. I remember his works JaJa/NeinNein, the Öhh-Lecture, the performance Der Chef/The Chief - Fluxusgesang! This attitude in dealing with the voice also interests me in my work as an artist and voice teacher.

And as a voice artist, I immediately feel reminded of the concept of the extended voice when I hear Beuys´ idea of the extended concept of art. This is also about leaving behind the ideas of which vocal expressions pass as art and which do not belong there, and giving every vocal sound the potential to be artistically interesting. Every vocal sound is singing.

Beuys' idea of an expanded concept of sculpture also belongs in this context. Social sculpture is an important keyword here, but also the idea that even a thought has a sculptural quality. These thoughts are a source for my own work with voice, in which I am searching for a something that can be called a vocal temporary sculpture. However, Terry Fox's idea of sound sculpture was the more decisive one for me here in this context.

 

Orpheus as shaman?

There is furthermore a deeper connection between the approach of Joseph Beuys and artistic voice work in the Wolfsohn/Hart tradition: this connection goes through the name Orpheus and the Orphic web or network (das orphische Geflecht). This is a term I found in the work of Kocku von Stuckrad[6].

Von Stuckrad uses the Orphic network to describe the connection between art, nature and knowledge that is mythologically linked to the name Orpheus. This has a lot to do with Beuys, whose expanded concept of art encompasses these three elements, as well as with my/our work in the stimmfeld and the Wolfsohn/Hart approach. Because in the exploration of the human voice, these three aspects always play a role. Artistic exploration, cognitive processes with sometimes therapeutic, i.e. healing, side effects and the positioning of the singing human being in the world that is nature.

As early as the 19th century, there was the idea that Orpheus, the mythical singer and first artist, was also the first shaman, that is, someone who could make contact with all inhabitants of the world, visible or invisible. This includes in particular animals. Beuys started at that point and demanded that we - the artists - (all of us are artists!) resume this conversation with nature, which speaks to us and listens to us. This process should include everything that the human mind has discovered in the last centuries. Not back to nature, then, but using the achievements of modernity to create a new wholesome relationship with nature. Here Beuys stands in a line of tradition with the shamans, who exemplified this dialogical relationship (in very special social-natural conditions) and also to Orpheus, who installed the poetic order of the world.

The dialogical character of the poetic order is particularly evident in the system of voice and hearing that we deal with in the art of voice.

 

 

Beuys World Attitude (Welthaltung) and IRWEGK:

An idea of how to protect or save the world from the spirit of art starts with the fundamental attitude towards the world. The attitude that got us into this mess can be described as world domination. Both capitalism and the scientific-technical worldview try to calculate the world in order to be able to dominate it[7]. This, we must not forget, has led to incredible developments and achievements, but now we see that world domination is turning into world destruction and it is high time to find a new attitude to the world.

Beuys is one of those who believe that the world will be saved through art. Or rather: the world can only be saved if everyone becomes an artist. Becoming an artist means awakening the artistic spirit that is inherent in every human being. But what does this being an artist consist of? In Beuys' thinking, much of it boils down to making creativity the decisive element. But this idea is not entirely unproblematic. Neoliberalism, for example, has taken up the creative ball and made creativity a competence that one must have in the capitalist game in order to be able to play along to some extent. Of course, this was not in the spirit of Beuys, who always wanted to see creativity in close connection with freedom and self-determination. I'll come back to that in a moment.

 

But there are other reasons for doubting that creativity can save the world: There is far too much being created in the world! Recently, a report went through the press that the mass of artificially produced things now exceeds the mass of natural things. Even though one would have to ask what exactly is being compared and how one is supposed to determine such a thing, imagining how much is produced in the world by humans remains impressive and frightening. Everything that is produced was initially born out of a creative act! It is not least due to rampant creativity that the world is so cluttered! In this perspective it would be better for the world if we learned to be less creative. This is, of course, polemical, and the response to it is that creativity must be embedded in an artistic context in order to have an effect in the sense of Beuys. But then, being an artist is more (and different) than what is meant by the term creativity. For Beuys, self-determination and self-responsibility for one's own actions represent the second and perhaps crucial aspect of being an artist. That is very important, also in our context. But one can also see it quite differently: Is self-determination a necessary characteristic of art creation and of those who create art?

In contrast, one could say: no one is less self determined in their creative work as artists. Artists do not freely choose their art. They often feel compelled to serve their art, to bring it into life. And often enough they make many sacrifices to do so. Unlike the so-called leisure artists, who see art as the free space they wrest from their otherwise bourgeois lives, the artist's art in the narrower sense is not a free and creative space that one creates for oneself alongside a life dominated by constraints. Art forces! Artists often work on their art against their will. So there is no need to speak of self-determination on that level.

 

But I want to argue from a different angle here. My thesis is that being an artist consists in a special relationship to the world or a special attitude to the world.

In order to explain what I mean by that, I will once again use the Max Scheler drawer and draw a distinction that can help us here[8]. Scheler was much concerned with the concept of knowledge. Knowledge is always knowledge of "the world" (including human nature) and in this respect the kind of knowledge that is at the forefront of a culture or society shows which understanding of the world prevails in that culture. Scheler sees a tendency in Europe from the 13th century onwards to accumulate a knowledge of the world that aims at mastering it. I have already spoken of this above. Scheler is not the only one in this regard, but what makes him interesting is his proposal for other forms of knowledge that do not have to be invented anew but have long been dominant in other cultures and societies. Scheler speaks of Bildungswissen or educational knowledge and of Heilswissen (knowledge of salvation). Educational knowledge is the kind of knowledge that helps me to form, develop or grow as a person. According to Scheler, salvation knowledge consists of knowledge that benefits the "salvation of the soul". Both forms of knowledge are not primarily relevant in confrontation with the world, but for "Know thyself!", which must, however, take detours via the world. I will not go into detail here about what Scheler has in mind with this distinction[9]. What is important is that the acquisition of this knowledge does not require the will to rule, but something else: love! I must open myself to the world in a fundamental loving mode in order to have a participation in it. For knowledge, according to Scheler, is a relation to the world: if I know something, I participate with what I know. I am directly connected with this aspect of the world. And this connection only succeeds with love.

It is true that there are people in the capitalist-scientific complex who approach their subject matter with love. Many great scientists stand out precisely because of their love for the respective field of research. But the general structure of this system functions through the will to rule and dominate. In the field of art, there are of course artists who know and use this will to dominate, but the general structure of art is a love for its objects. Only from the mode of love for the world, for music, for language, for colours and forms, etc. does art arise. Therefore, art is the form of life from which a new general world attitude can arise.

The artistic world attitude allows a way of dealing with the world and everything that exists in it: from a basic mode of love and respect and not that of the will to rule and control.

 

Beuys, IRWEGK and Corona

A text that asks about the relevance of Joseph Beuys' artistic approach for our times of the year 2021 cannot leave out the topic of Corona. The pandemic has forcibly brought to the surface some of the social and ideological distortions of late modernity that have hitherto operated more underground, and we are forced to deal with them. There is not much of this directly in Beuys' work. After all, in a book of Beuys' texts there is a chapter heading "Impfung und Planeten" ("Vaccination and Planets")[10], and in one of his graphics these two terms appear side by side. Presumably, vaccination had a thoroughly positive colouring for Beuys. His work on the social sculpture of a new society could be understood as a vaccination campaign. Beuys would probably have found the Corona vaccinations fascinating, too, because it is a planetary social sculpture. But more crucial than these conjectures on my part are two other points.

 

The founding of IRWEGK took place shortly before the Corona pandemic, which on the one hand changed the spiritual situation of our time and on the other hand perhaps first brought it to light. In the scepticism towards the political, social and scientific handling of the pandemic, it became clear how much the anti-modern tendencies had already gained the upper hand in large parts of the population. In my work as an artist and writer, I am since long particularly concerned with the capitalist excesses of modernity and their destructive forces for people and the world. At the same time, however, I believe that one cannot be anti-modern in the strict sense at all, because we live in the world we live in and therefore have to start from the modern conditions in order to find and develop the healing potential in them.

Here I see Beuys again as a role model: Beuys was a radical critic of a one-sided rationalist-materialist view of the world and in many of his actions he sought and artistically revealed the poetic approach to the world mentioned above. But at the same time he was a great admirer of modern science and was never interested in an either – or. He was concerned with a comprehensive understanding of the world that integrates the various strands and contributes to a conception and attitude that benefits humankind and the world.

The great ethical achievements of modernity were virtually sacred to him: human freedom, human equality before the law and the associated idea of democracy.

Anti-modernism, on the other hand, is characterised in many varieties by the fact that an elitist understanding of man prevails in them. There are the few who get it and the great stupid masses who will probably never get it. This pattern was found in many posts and pamphlets critical and dismissive of the general approach to the pandemic.

The most important formulation of this way of thinking in the 20th century probably came from Martin Heidegger, and it is no coincidence that Heidegger is also the one among the serious philosophers of his time who became most deeply involved in National Socialist ideology. He spoke of the few who face up to authenticity or ownedness (“Eigentlichkeit”) and the many who remain stuck in the "man" (they, the anyone, the one) and do not reach the truth that only shows itself to the few. This is of course a very attractive way of thinking, as long as one has found a way to count oneself among the knowing few. This is also one of the tricks of modern pop-esotericism. But at the same time, it is a deeply undemocratic way of thinking.

In contrast, Beuys, who also shows esoteric features through anthropology once in a while, was always clear: every person is an artist.

A basic democratic attitude is much more strenuous to maintain than an elitist attitude. Beuys calls on us not to withdraw with our own artistic work into the corner of the supposedly chosen, but to hold fast to a democratic image of human being and artist.



[1] Vgl. Kocku von Stuckrad: Der Schamanismus in europäischer Wahrnehmung,  in: Beuys und die Schamanen, Katalog zur Ausstellung in Schloß Moyland 2021, S. 136-141

[2] Mehr dazu in meinem Essay: Künstler sein im Kapitalismus, Athena-Verlag, Oberhausen 2018!

[3] Ich habe mich im Rahmen meiner Arbeit zum Künstlersein im Kapitalismus intensiv mit den Thesen des Philosophen Max Scheler beschäftigt, der Anfang des 20. Jahrhunderts eine in Teilen sehr originelle Kapitalismuskritik formuliert hat. Dazu auf englisch: Being Artist in Capitalism 1 https://vimeo.com/137284937

und 2 https://vimeo.com/174408761.

 

[4] Was in dieser Dreiteilung des Wissensbegriffes fehlt, ist eine Kategorie für das lebenspraktische Wissen, also das, was uns als Menschen in der konkreten Lebenswelt hilft zu (über-)leben. Diese grundlegende Art des Wissens ist in der Spätmoderne ideologisch überlagert worden vom Herrschaftswissen, das es scheinbar unnötig macht, einen Umgang mit der Welt zu lernen, der die Vorgegebenheiten dieser Welt berücksichtigt. Aber genau diese Art von Wissen wird heute benötigt, um aus dem planetarischen Desaster herauszufinden.

[5] Joseph Beuys: Das Geheimnis der Knospe zarter Blüte, Texte 1941-1986, München 2000, S. 179.

 

[6] See Kocku von Stuckrad: Der Schamanismus in europäischer Wahrnehmung, in: Beuys und die Schamanen, catalogue for the exhibition in Schloss Moyland 2021, pp. 136-141.

[7] More on this in my essay: Being Artist in Capitalism, Athena-Verlag, Oberhausen 2018. You find a part of this book in English on: http://artistincapitalism.blogspot.com/2019/03/essay-being-performance-artist-in.html

[8] In the context of my work on being artist in capitalism, I have intensively studied the theses of the philosopher Max Scheler, who formulated a partly very original critique of capitalism at the beginning of the 20th century. See Being Artist in Capitalism 1 https://vimeo.com/137284937 and 2 https://vimeo.com/174408761.

[9] What is missing in this threefold division of the concept of knowledge is a category for practical knowledge, i.e. that which helps us as human beings to live or survive in the concrete world of life. This fundamental kind of knowledge has been ideologically overlaid in late modernity by knowledge of domination, which seems to make it unnecessary to learn a way of dealing with the world that takes the givens of this world into account. But it is precisely this kind of knowledge that is needed today to find our way out of planetary disaster.

[10] Joseph Beuys: Das Geheimnis der Knospe zarter Blüte, Texte 1941-1986, München 2000, S. 179.

Sunday, 1 August 2021

Dialogue of Memories - ein Performancebericht/report of a voiceperformance

Ralf Peters (stimmfeld)

Langzeit-Stimmperformance/

durational Voice-Performance

 

„Dialogue of Memories“

 

Am/at 20./21. Juni/June 2021 in der Sirgenstein-Höhle/in Sirgensteincave

 

im Rahmen des Performance-Film-Projektes STRATA von VestAndPage in den Höhlen der Schwäbischen Alb 2021/

in the context of the performance-film-project STRATA by VestAndPage in the caves of the Swabian Alb 2021

 

Infos zum Projekt STRATA gibt es hier

https://www.facebook.com/media/set/?vanity=VestAndPage&set=a.283486120003737 und hier:

https://www.vest-and-page.de/strata

 

 

 

 (all photos by Marcel Spamann for STRATA by VestAndPAge)

 

 

 

 

English below!

 

Bevor ich meinen Bericht dieser für mich so wichtigen und eindrücklichen Erfahrung gebe, will ich meinen Dank aussprechen: vor allem an Verena Stenke und Andrea Pagnes (VestAndPage), die mich eingeladen haben, an diesem großartigen Projekt „Strata“ teilzunehmen. Ohne die beiden hätte ich wahrscheinlich nie die Gelegenheit bekommen, an diesen so ungewöhnlichen und fordernden Orten eine Stimmperformance zu machen. Dank auch an das Team: Marcel Spamann, der die Fotos gemacht hat und in vieler Hinsicht unterstützend präsent war und an Douglas Quin, der die wunderbaren Audio-Aufnahmen gemacht hat. Und last but not at all least an Agnes Pollner, meine Partnerin, die die Performance in der Sirgensteinhöhle mitgeprägt hat und im Hohle Fels auch stimmlich mit mir präsent sein konnte. Es war eine Freude mit Euch zu arbeiten!

 

 

Performanceplan/Performancebericht

Ort:

Die Sirgensteinhöhle ist eine Höhle im Achtal, in der Nachweise von Neandertalern und modernen Menschen gefunden wurden. U.a. der einzige direkte Hinweis in dieser Region auf homo sapiens von 40000 Jahren: in Form von einigen Zähnen. Außerdem hat man auch dort Kunst aus dieser Zeit gefunden. Die Sirgensteinhöhle gehört mit einigen anderen Höhlen auf der Schwäbischen Alb zum Weltkulturerbe, weil es sich um offenbar weltweit einzigartige Fundstätten für früheste figurative Kunst handelt. Die dort gefunden Kleinskulpturen wie der Wasservogel, der Löwenmensch oder die Venus von Hohle Fels sind in der Tat wie die Flöten aus Mammutbein umwerfend schön.

 

Zeit:

Die Nacht auf den 21. Juni 2021 von Sonnenunter- bis aufgang.

Zeitmessung während der Performance:

Mit der Knotenkordel, die ich von dem Künstler Terry Fox übernommen habe und die 552 Knoten hat, gemäß der Schritte/Steine des Labyrinths von Chartres. Die Einbeziehung des Labyrinths kann man als symbolischen Zwischenschritt auf dem Weg zur Höhle als ursprünglichem Lebens- und (Kult)-ort verstehen. (Dazu gibt es weiter unten ein Zitat!)

Persönlich ist es ein Schritt in die Erinnerung, meine Arbeit mit der Kordel und Stimme zu verschiedenen Anlässen.

 

Situation:

Ab Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang (Sommersonnenwende, also die kürzeste Nacht des Jahres) saß ich im hinteren Teil der Höhle auf einem Stuhl und habe mit jedem Atemzug einen Stimmklang gemacht. Und zwar je 552 mal, je Knoten der Kordel einen Atemzug. Danach eine kurze Pause, um die Beine zu vertreten, einen Schluck zu trinken etc.

In den Pausen habe ich Begriffe auf Papier geschrieben, das danach auf den Höhlenboden gelegt wurde. Die Worte haben sich aus der inneren Bewegung oder der stimmlichen Entwicklung ergeben und ein Bild, eine Frage oder einen Aspekt bezeichnet, der mir in den Sinn kam. Durch das Aufschreiben wollte ich diese Gedanken loslassen, um wieder frisch mit der nächsten Phase beginnen zu können. Die Begriffe auf dem Papier stellten also keine Ergebnisse dar, sondern waren eher Hilfen, um den Geist zu entlasten.

Die folgenden Begriffe habe ich aufgeschrieben:

-   Donnerdialog

-   Re-mind

-   Er-innern

-   Re-member

-   Geburt der Zeit

-   Zeitlos

-   Stimme

-   Sprachrohr

-   Remember me?

-   Die Einsamkeit der Höhle

-   Bin ich bereit?

-   Läuterung

-   Lichtgruß

 

Die performative Situation in der Höhle wurde mitgestaltet von Agnes Pollner, die die Nacht über am Eingang der Höhle saß und meditierend den Ort prägte. Wie vieles andere stellte sich auch das als nicht so einfach heraus wie wir vermutet hatten. Ihre Aufgabe war größer als gedacht. Sie wurde in gewisser Weise zu einer Wächterin, die den Eingang zur Höhle bewachte. (Zur Arbeit von Agnes findet sich hier einiges!)

 

Ich hatte den Anzug an, der für eine Produktion mit dem Titel Hamlet-Mühle 2011 entstanden ist. Kostüm Hans von Almsick, tausendschoen) Klassischer Anzug, aber in einem sehr festen, zugleich durchsichtigen Stoff, der wenig freie Bewegung zulässt. Damit sollte hervorgehoben werden, dass es nicht um eine Annäherung an „Natur“ geht, sondern um eine Performance, die sich im Rahmen von Kunst und Kultur bewegt. Der bewegungshemmende Anzug verweist außerdem darauf, dass ich weder ganz in die Zivilisation noch in eine Vorzeit passe.

 

Das Aufnahmeequipment war so eingerichtet, dass Agnes und Ich über die längste Phase der Nacht alleine in der Höhle waren. Es gibt eine durchgehende Audioaufnahme. Da es die meiste Zeit stockdunkel war, wurde nur zu Beginn und am Ende eine Videoaufnahme gemacht.

 

Stimme: Ich habe mit verschiedenen stimmlichen Vorgaben gearbeitet, z.T. mit Atem-Stimme-Rhythmen, die sich aus einer inneren Fokussierung auf Aspekte des Erinnerns und des Kontaktes mit dem Höhlenraum ergeben.

 

Die geplanten Stimm- und Atemphasen waren:

1.   tief in den eigenen (Atem-)Raum atmen.

2.   Durch die Füße bzw. den Kontakt mit Boden/Wand die in der Höhle gespeicherten Erinnerungen einatmen.

3.   Mit der Stimme hörend gleichzeitig innen und außen sein.

4.   In die Schichten hineinatmen und mit der Stimme nach oben bringen (tiefe Töne die höher werden)

5.   In die Schichten hineinatmen und in der Schicht verweilen.

6.   Wechsel von hören und tönen.

 

An diese Phasen habe ich mich während der Nacht gehalten, allerdings nicht in einer vorgegebenen Reihenfolge. Ich bin je nach innerer Situation auf die ein oder andere Art der Präsenz im Raum eingeschwenkt.

Als Licht hatte ich für die Pausen eine Sonnenlampe, die über Solarzellen tagsüber aufgeladen wird. Die Sonne in den Raum bringen! Während der Stimmaktion war es in der Höhle dunkel, bis am Morgen auch durch das Loch in der Decke allmählich das Sonnenlicht kam.

 

Grundlegendes Thema bzw. die innere Ausrichtung war die Erinnerung, beginnend mit der bewussten Erinnerung des Performers (und der Unter­stützer*in­nen), über die Erinnerung des Körpers, des Ortes, des Raumes, der Steine etc. bis hinein in die imaginative Erinnerung auf der Ebene von Molekül und Atom. Formgebend war dabei ein spezieller Aspekt der Erinnerungsgeschichte der Höhle: Die geistige Verbindung zu den Künstlern und Künstlerinnen, die vor ca. 40000 Jahren hier lebten, die Skulpturen und Flöten hergestellt und die Musikinstrumente gespielt haben.

Ich wollte die Performance in der Nacht machen, um die Gegenwart soweit wie möglich schlafen zu lassen und leichter in die Erinnerungsschichten des Ortes eindringen zu können.

Diese Ausrichtung stellte sich im Laufe der Nacht als sehr viel schwieriger heraus als ich vermutet hatte. Zunächst einmal begann die Nacht mit einem starken Gewitter. Wir sind bereits im strömenden Regen zur Höhle gefahren und gegangen. Und in der ersten Phase, von der ich nicht weiß, wie lange sie gedauert hat, war ich statt mit der Erinnerung mit der sehr präsenten Gegenwart des Donners konfrontiert. Das war eine einzig- und großartige Erfahrung. Der Donner kam in die Höhle in einer Weise, die es mir erlaubt hat, damit stimmlich in einen Dialog zu treten. Ein Duett mit dem Donner! Im Hintergrund dieser Erfahrung steht eine Legende, die mit der Sirgensteinhöhle verbunden ist. Darin geht es um die Musen, die Töchter von Zeus und Memoria, die in der Höhle – wegen ihrer schönen Akustik - sangen. Bis sie von einem Riesen oder Zyklopen dort eingesperrt wurden. Zeus kam ihnen zu Hilfe und verwandelte sie in Elstern, so dass sie durch das Loch oben in der Höhle entfliehen konnten. Diese Legende, die der Mönch Felix Fabri im 15. Jahrhundert aufgeschrieben hat (im Wortlaut ist sie unten zu finden!), hatte ich in der Vorbereitung auf die Performance gelesen. Zeus und memoria. Zu Beginn der Nacht hat sich also Zeus in den Vordergrund gebracht.

Doch auch nach dem Gewitter ist es mir kaum gelungen, in die Erinnerungsschichten des Ortes und meines Geistes einzusteigen. Neben den erwarteten Schwierigkeiten durch Kälte und Nässe hat sich mir eine ganz unerwartete Erfahrung aufgedrängt: Die Höhle schien mir kein Ort zu sein, an dem die Zeit oder die Geschichte so abläuft wie an anderen Orten. Die Höhle ist in gewisser Weise zeitlos. Zwar geschehen auch dort Dinge, aber sie scheinen nicht in der Weise gespeichert zu werden, wie man z.B. in einem alten Haus manchmal spüren kann, dass es über lange Zeit Leben gab. Die Höhle kam mir eher vor wie ein Ort, an dem die Zeit geboren wird.

In meinem Konzept, das ich vor der Performance geschrieben habe (und das unten nachzulesen ist) hatte ich ganz unbewusst eine Andeutung in diese richtung gegeben. Ich spreche dort nämlich davon, dass die Höhlen die schwarzen Löcher der Erde sind. Wie in einem galaktischen schwarzen Loch ist auch in der Höhle die Zeit anderen Gesetzen unterworfen als außerhalb ihrer.

Merkwürdig war an dieser Zeitwahrnehmung, die mich die ganze Nacht über nicht verlassen hat, dass mein Geist oder mein Bewusstsein daran festhing, meine Stimme aber zumindest manchmal den Kontakt zu den tieferen Zeitschichten herstellen konnte. Das ist schwer in Worte zu fassen, aber mir schien, dass meine Stimme eher in den direkten Kontakt mit der Höhle kam, als „Ich“.

Die Nacht war nicht einfach. Es gab darin sehr lange Phasen, die nicht aufzuhören schienen. Dann wieder verging die Zeit viel schneller. Am Ende habe ich die letzten 552 Atemzüge und Stimmklänge weit über den Sonnenaufgang hinaus gestreckt.

 


Wie klang das alles? Die Performance fand natürlich ohne Publikum statt. Deswegen kann es keine Berichte von Zuhörer*innen geben. Es sind aber Audio-Aufnahmen von der Stimmperformance entstanden, aus denen ich Ausschnitte hier veröffentlichen werde, sobald das Material freigegeben ist. Im Moment beginnt die Arbeit an dem Film, der aus der Arbeit von über 20 Künstler*innen, die in den Höhlen agiert haben, entstehen soll. Erscheinen wird der Film wahrscheinlich nächstes Jahr, also 2022. Darüber werde ich hier auf dem blog und an andere Stelle informieren.

 

(Nach der Performance in der Sirgensteinhöhle sind Agnes Pollner und ich mit Verena Stenke und Andrea Pagnes in die Hohle Fels gegangen, einer anderen Höhle des Weltkulturerbes auf der Schwäbischen Alb. Die Hohle Fels ist der Fundort der nach ihr benannten „Venus“ und vieler anderer herausragender Fundstücke aus mittlerweile 80000 Jahren. Sie ist als Ort geradezu umwerfend und bei meiner Recherche nach dem geeigneten Ort für meine Nachtperformance war mir schnell klar, dass sie für mich alleine eine zu große Herausforderung darstellt. Und doch haben wir dort Aufnahmen gemacht, die wahrscheinlich auch im Film auftauchen werden. Außerdem hatten Agnes und ich Gelegenheit, eine kurze Stimmimprovisation zu machen, unter Einbeziehung des Klangs der fallenden Wassertropfen. Auch das eine wunderbare Erfahrung.)

 

 

 

Konzeptueller Rahmen für die Performance in der Sirgensteinhöhle

 

Poetische Geologie:

(diesen Text habe ich als Konzept vor der Performance geschrieben. Ich gebe ihn hier wieder und verweise auf den Text oben, um deutlich zu machen, wie sich die Performance von der Idee unterschieden hat. Die Zeitstrukturen von Stein, Höhle, Mensch und Stimme unterscheiden sich in viel höherem Maße, als ich beim Verfassen des Konzepts gedacht habe. Das ist eine wunderbare Erkenntnis dieser Performance!)

 

Angesichts des großen Themas dieses Projekts „Das Dauerhafte im Körper und das Geologische“ fällt mir zu meiner Performance der Begriff der „Poetischen Geologie“ ein. Eine Geologie, die durch den Modus der Erinnerung geprägt ist. Das Geologische ist per se mit der Vergangenheit in Verbindung. Jeder Stein, jeder Boden und jeder Fels stellen Spuren dar, die in ihre eigene Vergangenheit führen. Anders gesagt: Jeder Stein und jede Felswand sind Erinnerungen an sich selbst.

Die Stein gewordene Verflechtung von Vergangenheit und Gegenwart (des Erinnerns) zeigt sich nirgends so deutlich wie in einer Höhle. Höhlen sind immer alte Orte, Orte, in denen Zeitalter vergangen sind und ihre Spuren hinterlassen haben. Höhlen sind die Schwarzen Löcher der Erde, in denen geheimnisvolle Gesetze der Zeit gelten. Dieses Geheimnis äußert sich in einer Atmosphäre, einer Stimmung, die nicht wissenschaftlich, sondern nur künstlerisch erkundet werden kann.

Vom menschlichen Körper lässt sich ebenfalls sagen, dass er die Spur seiner eigenen Geschichte darstellt und in seiner gegenwärtigen Präsenz immer auch eine Erinnerung an sich selbst ist. Der lebendige Organismus des Körpers hat zwar anders als der Stein und die Höhle die Fähigkeit der Erneuerung und der Entwicklung, doch bleibt auch der Körper seine Geschichte. Auch die menschliche Stimme ist in diesem Sinne ein historisches Phänomen. Jeder Stimmklang erinnert an die Geschichte ihrer stimmlichen Quelle, des Körpers, aus dem er erklingt und des Menschen, der ihn erklingen lässt. Wie in der Höhle gelten im Stimm-Körper ganz eigene Gesetze der Zeit. Geschichte ist im Körper Teil seiner lebendigen Gegenwart.

Diese Präsenzen von Zeit und Geschichte, von Dauerhaftem und Gegenwärtigem – wie sie in Höhlen, Steinen und Körpern auftreten – miteinander in Verbindung und Dialog zu bringen, ist die „poetische“ Idee meiner Stimmperformance.

 

Höhle und Labyrinth:

Das Labyrinth ist die Übertragung des Höhlenkonzeptes auf die Erdoberfläche. Wie es in der Höhle (in der Regel) einen Weg hinein gibt, der auch für den Rückweg genutzt wird, wie die Höhle keine Außenorientierung erlaubt, sondern nur sich selbst zur Orientierung hat, so eröffnet auch das Labyrinth einen Weg, den man bis zum Ende gehen kann um dann umzukehren. Auch das Labyrinth bietet keine Möglichkeit einer Außenorientierung. Man muss den einen Weg bis zum Zentrum gehen.

Kulturhistorisch gibt es eine enge Verbindung zw. Höhle und Labyrinth (vgl. Dürr: Sedna, passim). Das Labyrinth, das zum Höhleneingang führt, in die Unterwelt etc.

Der Faden als symbolisches Element, das mit Labyrinth verbunden ist.

 

 

Erinnerung:

Die Methode, mit der ich mich mit den oben genannten Präsenzen in der Höhle verbinden will, ist eine lebendige Erinnerung, die verschiedene Aspekte und Vorgehensweisen beinhaltet. Drei davon möchte ich über deutsche und englische Wörter für das Erinnern deutlich machen:

-    Erinnern heißt, sich etwas ins Innere zu holen, eine Begebenheit, ein Objekt, ein Gefühl oder einen Gedanken in das eigene Innenleben hinein zu rufen und es dort zu bewegen.

-   Re-mind ist ein Wort das anzeigt, dass Erinnern ein geistiger Akt ist, sofern er bewusst vollzogen wird. Erinnern heißt denken, imaginieren, fragen und zweifeln. Zurück in den Geist bringen! Menschen haben die Fähigkeit, Erinnerungsprozesse zu initiieren und zukünftige Erinnerungsprozesse vorzubereiten, in dem Erinnerungsgehalte in erinnerungsfähige Formen gebracht werden.

-   Re-member weist darauf hin, dass der erinnerte Sachverhalt quasi (wieder) zu einem Mitglied (member) des eigenen Geistes und Innenlebens wird. Das heißt, er ist mehr als bloßes Material, das sich ganz nach meinem Belieben formen lässt. Ein Mitglied behält einen Grad an Selbständigkeit, an dem ich mich orientieren muss und kann. Das zeigt sich auch in der Stimme. Wenn ich meiner freien Stimme erlaube, die Erinnerungsprozesse klanglich zu begleiten, wird mein Stimmklang von dem mitbestimmt, woran sich die Erinnerung heftet. Meine innere Reaktion auf diese Prozesse ist weder vorherbestimmbar noch kann sie von mir vollständig gelenkt werden. Die Sache singt, könnte man sagen.

 

Die bewusste Erinnerung ist dasjenige, das Kunst und Kultur ermöglicht. Das verbindet uns mit den Menschen, die vor 40000 Jahren in diesen Höhlen lebten. Sie hatten eine Idee von bewusster Erinnerung. Nur so waren sie in der Lage, den wunderbaren Wasservogel zu gestalten, im Moment des Eintauchens ins Wasser. Oder die Flöten, die uns erlauben, heute dieselben Töne zu hören wie unsere frühesten Vorfahren, die in diesen Höhlen lebten. Hier taucht eine ganz neue Form des Geologischen auf, nämlich der von Menschen geformte Materialien, die zum Bild für etwas werden, was im Material nicht vorgesehen ist: Ein Vogel, ein Löwenmensch, eine Flöte. Da sind Abstraktions- und Imaginations-leistungen vollbracht worden, von denen die Kunst und die Künstler*innen bis heute zehren.

 

 


 

ein paar Zitate, mit denen ich u.a. in der Vorbereitung gearbeitet habe:

Die Höhlenwelt besitzt, so könnte man mit Ernst Cassirer sagen,„symbolische Prägnanz“, d.h. sie ist mit Sinnhaftigkeit imprägniert und die mit ihr interagierenden Menschen greifen die in den natürlichen Formen gegebenen Verweisungen auf und heben sie zusätzlich hervor oder vervollständigen sie zu ganzheitlichen Gestalten.

aus: Shumon T. Hussain & Thiemo Breyer

Menschwerdung, Verkörperung und

Empathie

 

Die kretischen Labyrinthe sind keine Irrgärten sondern kreuzungsfreie Spiralen, und diese Gebilde scheinen seit Urzeitenein Kreisen und Versinken bedeutet zu haben.

Aus: H.-P. Dürr: Sedna, S. 148

 

Dass das Labyrinth eine Höhle oder die Unterwelt war, ist sein alters her schon behautet und vermutet worden. .... Reisende des 18. Jahrhunderts (...) benutzten bei ihrem Besuch der Höhle ein langes Seil, einen „Ariadnefaden“, um wieder sicher aus ihr herauszufinden.

Aus: H.-P. Dürr: Sedna, S. 160

 

 

Von jenem Stein habe ich den untrüglichen Beweis erhalten, dass diese Höhle die Wohnstatt war eines ungeheuerlichen Cyclopen oder großmächtigen Riesen, oder dass dort war ein Versammlungsort der Nymphen oder der Musen, worin sie mit nächtlichen Gesängen ihre fröhlichen Feste feierten.(...)

In der Grotte selbst ist ein sehr schöner Widerhall zum Singen. Solche wohltönenden Grotten suchten die Musen auf, von denen die Dichter erzählen, sie seien die Töchter des Jupiter und der Memoria, und hätten dem Apoll gesungen und musiziert, wenn er die Leier schlug. Ihnen spürte Pyrthenäus nach, ihr Feind, wenn sie in den Grotten sangen und sperrte sie da ein. Sie aber wurden in Elstern verwandelt und flogen davon zum Verderben ihres Kerkermeisters. So trägt Ovidius es vor.

Dieser Fabel Erdichtung kommt unserer Grotte hinlänglich zu, denn der Chorus der Musen, so sie darinnen sangen, war um des süßen Wohllauts willen wie dafür geschaffen. Da nun aber der Riese Pyrthenäus dieselben hier fand, wälzte er den Block vor die Öffnung und schloss die Höhle zu, und ist der Felsklotz hier zu sehen noch heutigen Tages. Sie riefen aber die Hilfe ihres Vaters Jupiter an, der wandelte ihre Gestalt in Elstern und sie flogen durch das Loch, das der Höhle Fenster ist, hinaus; seitdem ist dieses Geschlecht der Vögel geschickt zu Weissagungen weit und breit durch das Schwaben- und Alamannenland.

 Felix Fabri

 

                        (all photos by Marcel Spamann for STRATA by VestAndPage)

 
English Version

 

In the context of the performance-film-project STRATA by VestAndPage in the caves of the Swabian Alb 2021

 

(details on https://www.facebook.com/media/set/?vanity=VestAndPage&set=a.283486120003737 and

https://www.vest-and-page.de/strata)

 

Ralf Peters (stimmfeld)

durational Voice-Performance

 

„Dialogue of Memories“

 

at 20./21.June 2021 in Sirgensteincave

Before I give my report of this experience, which was so important and impressive for me, I want to express my gratitude: first of all to Verena Stenke and Andrea Pagnes (VestAndPage), who invited me to participate in this great project "Strata". Without them I would probably never have had the opportunity to do a voice performance in these so unusual and challenging places. Thanks also to the team: Marcel Spamann, who took the photos and was present in many supportive ways, and to Douglas Quin, who made the wonderful audio recordings. And last but not least to Agnes Pollner, my partner, who helped to shape the performance in the Sirgenstein cave and was also able to be present with me vocally in the Hohle Fels. It was a pleasure to work with you all!

 

Performance plan and report

Site:

Sirgenstein cave, one of the caves in the Achtal, where traces were found of Neandertals and of modern human beings. In this cave the only direct evidence of homo sapiens in this region of about 40 000 years ago was found: some teeth. And there were finds of artistic objects, too.


The Sirgenstein Cave, along with several other caves in the Swabian Alb, is a World Heritage Site because they are apparently unique sites worldwide for the earliest figurative art. The small sculptures found there, such as the water bird, the lion man or the Venus of Hohle Fels, are indeed stunningly beautiful, as are the flutes made of mammoth bone. 

(Photo by Ralf Peters)

 

Time:

Night to the 21st of June, summer solstice, from sunset to sunrise.

Time Measuring during the performance:

With a knot cord, which I took from the artist Terry Fox and which has 552 knots, according to the steps/stones of the labyrinth of Chartres. The inclusion of the labyrinth can be understood as a symbolic intermediate step on the path to the cave as the original place of life and (cult).

On a personal level, it is a step into memory, my earlier work with cord and voice on different occasions.

From sunset to sunrise (summer solstice, i.e. the shortest night of the year) I sat on a chair in the back of the cave and made a vocal sound with each breath. Each period had 552 sounds, one breath per knot of the cord. Then a short break to stretch my legs, have a drink, etc.

During the breaks I wrote words on paper, which were then laid on the floor of the cave. The words arose from the inner movement or vocal development and denoted an image, a question or an aspect that came to my mind. By writing them down, I wanted to let go of these thoughts so that I could start fresh again with the next phase. So the terms on the paper did not represent results, but were rather a way to unburden the mind.

These are the words that I have written down:

    Re-mind

    Donnerdialog (dialogue of thunder) 

                 Er-innern (German for remember,indicates the inner                   sphere)

       Re-member

-        Geburt der Zeit (birth of time)

-        Zeitlos (out of time)

-        Stimme (voice)

-        Sprachrohr (mouthpiece(?))

-        Remember me?

-        Die Einsamkeit der Höhle (loneliness of the cave)

-        Bin ich bereit? (Am I ready?)

-        Läuterung (purification (?))

-        Lichtgruß (greeting of light(?))

                                                                                                (this photo by Ralf Peters)

The performative situation in the cave was co-created by Agnes Pollner, who spent the night sitting at the entrance to the cave and meditating on the place. Like many other things, this turned out to be not as easy as we had assumed. Her task was greater than suspected. She became, in a    sense, a guardian who watched over the entrance to the cave. More about Agnes and her work you can find here!

 

I wore the suit originally created for a production titled Hamlet Mill in 2011. (Costume Hans von Almsick, tausendschön) Classic suit, but in a very firm, at the same time transparent fabric that allows little free movement. To emphasise that this performance is not an approximation of "nature" but a performance that moves within the framework of art and culture. The movement-restricting suit also refers to the fact that I neither quite fit into civilisation nor into a prehistoric era.

 

The recording equipment was set up so that Agnes and I were alone in the cave for the longest part of the night. There is a continuous audio recording. Since it was pitch dark most of the time, a video recording was only made at the beginning and at the end.

 

Voice: I worked with different vocal presets, partly with breath-voice rhythms resulting from an inner focus on aspects of remembering and contact with the cave space.

 

The planned voice and breath phases were:

1. breathing deeply into my inner (breathing) space.

2. breathing in through the feet or through contact with the floor/wall to find the memories stored in the cave.

3. being inside and outside at the same time, listening with the voice.

4. breathing into the layers and bring them up with the voice.

5. breathing into the layers and staying in them.

6. Moving between listening and sounding.

 

I followed these phases during the night, but not in a predetermined order. Depending on the inner situation, I switched to one or the other kind of presence in the room.

For the breaks, I had a sun-lamp as light, which is charged by solar cells during the day. Bringing the sun into the room! During the vocal action it was dark in the cave until in the morning the sunlight gradually came through the hole in the ceiling.

 

The basic theme or inner orientation during the performance was memory, starting with the conscious memory of the performer (and the supporters), through the memory of the body, the place, the space, the stones, etc. to the imaginative memory at the level of molecule and atom. The form was determined by a special aspect of the cave's history of memory: the spiritual connection to the artists who lived here about 40,000 years ago, who made the sculptures and flutes and played the musical instruments.

 

I wanted to do the performance at night in order to let the present sleep as much as possible and to be able to penetrate the memory layers of the place more easily.

This alignment turned out to be much more difficult during the night than I had suspected. First of all, the night started with a heavy thunderstorm. We already drove and walked to the cave in the pouring rain. And in the first phase, from which I don't know how long it lasted, I was confronted with the very presence of thunder instead of memory. That was a unique and great experience. The thunder came into the cave in a way that allowed me to dialogue with it vocally. A duet with the thunder! In the background of this experience is a legend connected with the Sirgenstein Cave. It is about the Muses, the daughters of Zeus and Memoria, who sang in the cave - because of its beautiful acoustics. Until they were imprisoned there by a giant or cyclop. Zeus came to save them and turned them into magpies so that they could escape through the hole at the top of the cave. I had read this legend, written down by the monk Felix Fabri in the 15th century (the text can be found below!), in preparation for the performance. Zeus and Memoria. So at the beginning of the night, Zeus brought himself to the fore.

But even after the thunderstorm, I barely managed to enter the memory layers of the place and my mind. Apart from the expected difficulties of cold and wet, a quite unexpected experience forced itself upon me: The cave didn't seem to me to be a place where time or history happened the way it does in other places. In a way, the cave is timeless. While things happen there too, they don't seem to be stored in the way you can sometimes feel in an old house - that there has been life for a long time. The cave felt more like a place where time is born.

In the concept I wrote before the performance (which you can read below) I had unconsciously given a hint in this direction. I talk about the caves being the black holes of the earth. As in a galactic black hole, time is subject to different laws in the cave than outside it.

What was strange about this perception of time, which did not leave me all night, was that my mind or consciousness was stuck to it, but my voice could at least sometimes make contact with the deeper layers of time. It's hard to put into words, but it seemed to me that my voice came into direct contact with the cave rather than "I".

The night was not easy. There were very long periods in it that didn't seem to stop. Then again, the time passed much faster. In the end I stretched out the last 552 breaths and voice sounds far beyond sunrise.


What did this all sound like? The performance took place without an audience, of course. That's why there can be no reports from the listeners. However, there are audio recordings of the voice performance from which I will publish excerpts here as soon as the material is released. At the moment, work is beginning on the film that will be made from the work of over 20 artists who performed in the caves. The film will probably be released next year, in 2022, and I will inform you about it here on the blog and elsewhere.

 

(After the performance in the Sirgenstein cave, Agnes Pollner and I went with Verena Stenke and Andrea Pagnes to the Hohle Fels, another World Heritage cave in the Swabian Alb. The Hohle Fels is the site where  the "Venus" named after it was found - and many other outstanding finds dating back until 80000 years ago. As a location, it is downright stunning, and when I was researching a suitable place for my night performance, I quickly realised that it would be too much of a challenge for me alone. And yet we shot footage there that will probably also appear in the film. In addition, Agnes and I had the opportunity to do a short vocal improvisation, incorporating the sound of the falling water drops. This was a wonderful experience, too.)

 

 

Conceptual framework for the performance in the Sirgenstein Cave.

Poetic Geology:

(I wrote this text as a concept before the performance. I present it here and refer to the text above to make clear how the performance differed from the concept. The time structures of stone, cave, human and voice differ to a much greater degree than I thought when I wrote the concept. That is a wonderful result of this performance!)

Given the broad theme of this project, "The Permanent in the Body and the Geological", the term "Poetic Geology" comes to mind in relation to my performance. A geology informed by the mode of memory. The geological is per se connected to the past. Every stone, every soil and every rock represent traces that lead to their own past. In other words, every stone and every rock face are memories of themselves.

The interweaving of past and present (of remembering) that has become stone is nowhere more evident than in a cave. Caves are always old places, places where ages have passed and left their traces. Caves are the black holes of the earth, where mysterious laws of time apply. This mystery expresses itself in an atmosphere, a mood that cannot be explored scientifically, but only artistically.

It can also be said of the human body that it represents the trace of its own history and in its present presence is always a memory of itself. Although the living organism of the body, unlike the stone and the cave, has the capacity for renewal and development, the body also retains its history. The human voice is also a historical phenomenon in this sense. Every vocal sound recalls the history of its vocal source, the body from which it sounds and the human being who makes it sound. As in the cave, very specific laws of time apply in the vocal body. History is part of its living presence in the body.

To bring these presences of time and history, of the permanent and the present - as they occur in caves, stones and bodies - into connection and dialogue with each other is the "poetic" idea of my voice performance.

 

Cave and labyrinth:

The labyrinth is the transfer of the cave concept to the surface of the earth. Just as there is (usually) a way into the cave that is also used for the way back, just as the cave does not allow any external orientation but only itself for orientation, the labyrinth also opens up a path that one can follow to the end and then turn back. The labyrinth also offers no possibility of external orientation. You have to go the one way to the centre.

Culturally and historically, there is a close connection between cave and labyrinth (cf. Dürr: Sedna, passim). The labyrinth leading to the cave entrance, to the underworld, etc.

The thread as a symbolic element connected with labyrinth.


Memory:

The method I want to use to connect with the above presences in the cave is living memory, which involves different aspects and approaches. I would like to make three of them clear through German and English words for remembering:

- Remembering means to bring something inside, to call an event, an object, a feeling or a thought into one's inner life and to move it there.

- Re-mind is a word that indicates that remembering is a mental act, as long as it is done consciously. Remembering is thinking, imagining, questioning and doubting. Bringing it back to the mind! Humans have the ability to initiate memory processes and to prepare future memory processes by bringing memory contents into rememberable forms.

- Re-member indicates that the remembered facts become a member of one's own mind and inner life (again). That is, it is more than mere material that can be shaped at will. A member retains a degree of independence to which I must and can orient myself. This is also evident in the voice. If I allow my free voice to accompany the memory processes sonically, my voice sound is co-determined by what the memory attaches itself to. My inner reaction to these processes is neither predeterminable nor can it be completely directed by me. The thing sings, you might say.

Conscious memory is what makes art and culture possible. This connects us with the people who lived in these caves 40000 years ago. They had an idea of conscious memory. Only in this way were they able to create the wonderful water bird, at the moment of immersion in the water. Or the flutes that allow us to hear the same sounds today as our earliest ancestors who lived in these caves. Here, a whole new form of the geological emerges, that of man-made materials that become an image for something not intended in the material: a bird, a lion-man, a flute. This was a feat of abstraction and imagination that art and artists continue to draw on to this day.