Saturday 29 July 2017

Following: Dao Series No 5

english in green
Im Rahmen des 7. Internationalen Festivals für ephemere Künste "Contexts"  in Sokolowkso/Polen habe ich vom 21. bis 24. Juli 2017 eine Stimmperformance mit dem Titel "following" durchgeführt, die ich im Nachhinein gerne als Nr. 5 in die Liste meiner Dao Series aufnehmen möchte. Die Beschreibung bzw. das Konzept der Performance findet sich oben in dem Text.
Eine Dokumentation des Festivals gibt es in Kürze auf der website http://www.sokolowsko.org/en/.

Ort meiner Performance war ein kleiner Raum im alten Sanatorium von Sokolowsko, dessen Ruine Schritt für Schritt von der insitu-foundation wiederaufgebaut und zu einem Kunstzentrum umgestaltet wird. Ich war offenbar der erste Künstler, der in diesem Teil des Sanatoriums performen durfte.

In the context of the 7th International Festival for Ephemeral Arts "Contexts" in Sokolowso / Poland, I conducted a "Voice Performance" titled "following" from 21 to 24 July 2017, which I would like to add to the list of my Dao Series. The description and concept of the performance can be found in the text above.

A documentation of the festival will soon be available on the website http://www.sokolowsko.org/en/.


Place of my performance was a small room in the old sanatorium of Sokolowsko, whose ruin is going to be gradually rebuilt by the insitu-foundation and transformed into an art center. I was apparently the first artist to perform in this part of the sanatorium.


Durch die Wahl dieses Raumes wurde "following" für mich zu einer starken Erfahrung der Begegnung meiner Stimme mit einem historisch sehr aufgeladenen Ort. Dieses Thema der sitespecific voice performance drängt sich in meiner Arbeit gerade sehr in den Vordergrund.
Through the chosen space, "following" became a strong experience of meeting my voice with a historically very charged place. The topic of the sitespecific voice performance is curently very much in the foreground in my work.




 Zur Zeitmessung habe ich zwei verschiedene Sanduhren benutzt: am ersten und letzten Tag eine, die ungefähr eine Stunde läuft und am zweiten und dritten Tag eine die ca. 15 Minuten rieselt. Am zweiten Tag mit 4 Phasen, am 3. Tag mit drei Phasen.


For  time measurement I used two different hourglasses: on the first and last day one, which runs for about an hour and on the second and third day one which creeps about 15 minutes. On the second day with 4 phases, on the 3rd day with three phases.
Zu jeder Phase habe ich auf die chinesische Folie, auf der die Schrift nach ein paar Minuten wieder verschwindet, einen Begriff geschrieben. "following......"

For each phase, I have written a term on the Chinese slide, on which the words disappear after a few minutes. "Following ......"
Die Begriffe waren von mir vorher gesammelt worden und stammten entweder aus meinen Überlegungen zum Performance-Konzept oder aus Anregungen, die ich von anderen Performances während des Festivals bekommen habe.

The terms had been collected by me before and came either from my reflections on the performance concept or from suggestions that I got from other performances during the festival.
1. Tag:
following the beginning - eine Stunde lang mit meiner Stimme in die Situation hineinforschen.
2. Tag:  
following breath - an meinem Atmen orientiert
following oxygen transporting proteins  - ein Begriff aus einer Installation von Katy Connors; dabei habe ich die meiste Zeit mit meinem Pulsschlag gearbeitet.
following memories of the day - mit dem Versuch, die Erinnerungen des Tages innerlich wach zu rufen. Das war nicht ganz einfach, weil es zu viele starke Eindrücke gegeben hatte. Dieses "Zuviel" wurde dann Thema.
following listening - mit der Idee, dass ich alle akustischen Ereignisse, die an mein Ohr dringen, auch bewusst wahrnehme.
3. Tag:
following breadtaking boxes - eine Anspielung auf zwei Performances des Tages, in denen es um Brot (Ines Amado) und um Holzkisten (Franzisca Siegrist) ging. Das Bild der zu kleinen Kiste/Schublade, in die man gezwängt wird, war sehr präsent.
following memories of the air - eine Anspielung auf die walking performance von Robert Bean und Barbara Lounders, die davon sprachen, dass die Luft alle Erinnerungen trägt. Eine sehr beunruhigende Erfahrung, mit den Erinnerungen der Luft zu arbeiten. Die waren nämlich ganz gefüllt mit dem großen Feuer, das das Gebäude vor ca. zwölf Jahren ziemlich zerstört hat!
following Pol.  and  ? - mein Versuch, aus dem Raum in die aktuelle politische Situation in Polen auszugreifen, in derja gerade die Unabhängigkeit der Justiz von der Regierung beseitigt zu werden droht. Die Phase hatte eine starke Dramaturgie von langem, ungeduldigen Warten über Klage und Anklage, Kampf und Schmerz bis zum Gefühl von Fragilität und Versöhnungswille. Diese "Geschichte" war nicht geplant und hat sich aus der Situation und dem Pfad der Stimme ergeben.
4. Tag:
following contexts - mein Versuch, die verschiedenen Kontexte, die bislang in der Performance auftauchten, zu sammeln und noch einmal in den Raum zu bringen. Das ist mir nur ansatzweise gelungen, weil der Raum selbst, in dem an dem Abend durch den starken Regen das Licht nicht funktionierte, und wir nur von drei Teelichtern spärlich beleuchtet saßen und standen, sich sehr ins Zentrum rückte und ich mit meinen Erinnerungen und Gedanken eigentlich nicht aus dem Raum raus gekommen bin.



1st day:  
Following the beginning - one hour exploring with my voice into the situation.
2nd day: 
Following breath - oriented to my breathing 
Following oxygen transporting proteins - a term from an installation by Katy Connors; I worked most of my time with my heartbeat. 
Following memories of the day - with the attempt to recall the memories of the day inwardly. It was not easy, because there were too many strong impressions. This "too much" was becoming a theme.
3rd day: 
Following breadtaking boxes - a reference to two performances of the day, which involved bread (Ines Amado) and wooden boxes (Franzisca Siegrist). The picture of the box / drawer, too small, was very present. 
Following memories of the air - an allusion to the walking performance of Robert Bean and Barbara Lounders, who spoke of the fact that the air carries all the memories. A very disturbing experience to work with the memories of the air. They were filled with the big fire, which destroyed the building about twelve years ago! 
Following Pol.  and  ? - my attempt to reach out to the political situation in Poland, in which the independence of the judiciary is currently threatened by the government.
The phase had a strong dramaturgy of long, impatient waiting moving to complaints and accusations, struggle and pain, and to the feeling of fragility and reconciliation. This "story" was not planned and has resulted from the situation and the path of the voice.
Day 4: 
Following contexts - my attempt to collect the different contexts that have so far appeared in the performance, and bring them back into the room. This was not really possible for me, because the room itself, where the light did not work in the evening due to the heavy rain, moved itself very much into the center of my awareness. We had three tealights that gave very little light, so we sat in darkness more or less...






Der Raum war für die Masse des Publikums, die zumindest zu Beginn da war, eindeutig zu klein, aber anscheinend war die Akustik auch außerhalb des Zimmers sehr gut und man konnte meiner Stimme auch von dort folgen.

The room was clearly too small for the mass of the audience, which was there at the beginning, but the acoustics seemed to be very good outside the room and you could follow my voice from there.

Sunday 16 July 2017

performance vs. improvisation

english below:


Heute habe ich beim PAErsche  Lab17 http://paersche.org/portfolio/paersche-lab17-performance-art-conference/ in Köln ein kurzes Gespräch mit dem Stimmperformer Ferrando Bartolome geführt und danach eine Performance von ihm und Boris Nieslony gesehen und gehört, bei der die beiden alten Performance-Hasen mit der Stimme in Kontakt getreten sind.

Bei beidem, dem Gespräch und der Performance kamen für mich und meine auch künstlerische Partnerin Agnes P. die alte Frage auf, wie sich Stimmperformances zur Improvisaton als künstlerischer Form verhalten. In unserer Arbeit im stimmfeld versuchen wir, beide Formen getrennt voneinander zu betrachten, obwohl es natürlich Überlappungen gibt. Doch die Improvisation ist in erster Linie eine musikalische Form und die Art des Zusammentönens beim Improvisieren folgt musikalischen Prinzipien des Hörens und des aufeinander Reagierens. In der Stimmperformance, so wie wir sie verstehen, passiert etwas anderes. Wir versuchen auf der einen Seite mit den Ohren so offen wie möglich zu sein für die stimmlichen Ereignisse, die im Raum auftreten. Aber die Stimmen bleiben weitgehend aktiv im Rahmen der Vorgaben, für die ich mich für meine Stimme entschieden habe. Dadurch passieren unvorhergesehene und unvorhergehörte klangliche Begegnungen, deren musikalischer Charakter frühestens beim Hören entstehen und nicht schon durch die Art, wie ich (eben improvisierend) auf einen anderen Klang reagiere. Damit ist nicht verhindert, dass es zum Zusammenklingen von Stimmen kommt und die Performer diese Momente miteinander auskosten. Das freie Spiel der Stimmen miteinander hat auch hier seinen Raum. Aber uns interessiert es mehr, über die oft sehr strengen Vorgaben, die wir unseren Stimmen machen, zu klanglichen Ereignissen zu kommen, die bei einem musikalischen Herangehen sehr unwahrscheinlich wären.
In unserer CD Wellen Laenge haben wir damit experimentiert. Da gab es einerseits sehr strenge Regeln des Atmens und der Art, wie wir einen Stimmklang beginnen oder enden lassen; zugleich haben wir sehr konzentriert auf unsere beiden Stimmen gehört und dann aber den Stimmen die Freiheit gegeben, in diesem Rahmen zu agieren und zu reagieren. Hier ein Klangbeispiel: https://soundcloud.com/hoerfeld/expansion-1


Today, at the PAErsche Lab17 http://paersche.org/portfolio/paersche-lab17-performance-art-conference/ I had a short interview with the voice artist Ferrando Bartolome and then saw and heard a performance of him and Boris Nieslony, where the two old performer came into contact through the voice.In both, the conversation and the performance to me and my artistic partner Agnes P. the old question arose how vocal performances differ to improvisation as an artistic form. In our work in stimmfeld, we try to consider both forms separately, although there are, of course, overlaps. But the improvisation is, above all, a musical form, and the way in which the improvisation takes place follows musical principles of listening and reaction. In the vocal performance, as we understand it, something else happens. On the one hand, we try to be as open as possible for the vocal events that occur in the room. But the voices remain largely active within the framework of the guidelines for which I have decided for my voice. This leads to unforeseen and unforeheard sonic encounters. If there is also a musical character in it will be reckognized  at the earliest through the listening of the audience (and the performer), and not by the way I react (improvised) to another sound. This should not prevent the voices coming together and the performers to enjoy these moments together. The free play of the voices with each other has its own space. But we are more interested in the sounding of the often very strict requirements which we make to our voices, which would be very unlikely in a musical approach.In our CD wave length we experimented with it. There were, on the one hand, very strict rules of breathing and the way in which we begin or end a vocal sound; at the same time, we have been very focused on our two voices and then have given the voices the freedom to act and react in this context.

Here an example: https://soundcloud.com/hoerfeld/expansion-1